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Shibari

  • Surreal Spheres* hat am Mittwochnachmittag geschafft, wovon viele Menschen träumen: Sie schwebt wie schwerelos in der Luft. Sie wird nur von Seilen gehalten, die um ihren Körper geschlungen sind. Sechs Seile a´ zehn Meter fesseln Spheres. Ein Seil wickelt Rigging Raven vier Mal um ihre Augen und macht sie damit blind. Ihr Atem geht flach und schnell, sie scheint in einer Art Ekstase zu sein. Nach einer Weile löst er die Seile, umfasst ihr Gesicht mit seinen Händen und schaut ihr in die Augen. „Alles in Ordnung?“, fragt er. Sie nickt, lächelt und schließt die Lider. Ihr Atem geht ruhiger, ihr Gesicht schmiegt sich an seine Hand. Von außen sieht die Szene erst einmal befremdlich aus: Das Abschnüren der Oberarme mit Seilen, das Verlieren der Sinne und die hängende Position. „Unangenehm ist das falsche Wort. Es ist nicht immer komfortabel, aber wenn ich mich darauf einlasse, dann kann ich auch in dem Unkomfortablen bequem werden“, sagt Spheres. Für sie ist das Ziel eine andere Körperwahrnehmung. Sie sei ein Mensch, der in allen Situation des Lebens versuche, viel zu geben. Durch diese Fesselungen kann sie die Kontrolle abgeben, sich fallen lassen und muss nichts aktiv tun. Eine Art Mediation. Fesselungen, das Ganze halb nackt, da denkt man schnell an Sex. Doch Shibari hat wenig mit Sex zu tun. „Es ist eine Art Kunstform“, erklärt Raven. Shibari ist das japanische Wort für Fesseln. Alles, was über die Technik hinaus geht und mit Nähe, Vertrauen und Gefühlen zu tun hat, nennt man Kinbaku. Die Fesselungen sind oft darauf ausgelegt, dem eigenen Körper näher zu kommen: Sich selbst umarmen und von den Seilen umarmt werden. Während der Fesselung werden viele Endorphine ausgeschüttet, sodass es sehr wichtig ist, nach der Befreiung und der Ablegung der Seile die gefesselt gewesene Person nicht allein zu lassen. Sodass die menschliche Umarmung des Partners die der Seile ersetzt. So können Partnerschaften mithilfe von diesen Techniken nochmal auf eine andere Ebene gehoben werden. Diese Art der Fesselungen kommt aus Japan und ist schon sehr alt. Im japanischen Mittelalter, in der Sengoku-Zeit von 1477 bis 1573, wurde das Fesseln als riegskunst von den damaligen Samurai gelernt, genannt Hojōjutsu. Damals wurde es vor allem zur Gefangennahme und auch zur Folter eingesetzt. Nach dem zweiten Weltkrieg hat es sich aber im japanischen Bereich zu einer Kunstform entwickelt. Die Seile haben Druckstellen hinterlassen. Spheres liegt befreit in den Armen von Raven, legt ihren Kopf auf seine Schulter. Er massiert ihre Seilabdrücke, die stark beanspruchten Stellen des Körpers, und umarmt sie fest. Sie lachen zusammen, schauen sich immer wieder intensiv an, geben sich Schmetterlingsküsse, Nase an Nase. Doch das Ganze ist trotzdem kein ungefährliches Unterfangen. Es ist wichtig zu wissen, wo Nervenbahnen entlanglaufen. Der Rigger, also die Person, die fesselt, darf nur an bestimmten Stellen das Seil legen oder kräftiger schnüren, damit keine Muskel- oder Nervengewebe beschädigt werden. Die richtigen Knoten zu kennen, ist wichtig, damit man nicht solche bindet, die sich von selbst weiter zu ziehen, wie zum Beispiel Schleife-Binden-Knoten. „Ich lege immer dringend ans Herz, einen Kurs zu machen, bei dem alles erklärt wird“, sagt Raven.